Prof. Dr. med. R. Klapdor

Teil E – Einsatz des „Tumormarkers“ CA 19-9 bei Patienten mit Pankreaskarzinomen


CA 19-9 in der Diagnostik und Therapie des Pankreaskarzinoms: eigene Erfahrungen über fast 40 Jahre seit Einführung des CA 19-9 in die Klinik vs. S3-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Pankreaskarzinom von 2021

Auf die S3- Leitlinie zur Diagnostik und Chemotherapie des Pankreaskarzinoms des Jahre 2013 hatte ich am 25.02.2014 eine Leserzuschrift an die Redaktion verfaßt. Bezüglich des Einsatzes der Tumormarker CA 19-9 und CEA hatte ich u.a. Ergänzungen zu den nachfolgenden Punkten vorgeschlagen zu den Punkten. Zur

„5. Diagnostik“, zur
„5.6. Therapieevaluation in der der palliativen Therapie“ und zur
„9.5. Nachsorge“.

Und abschließend angefügt:

„- Auch große prospektiv randomisierte und multizentrische Studien, die Zur Einführung von Substanzen in die klinische Therapie geführt haben, konnten, wie die Erfahrung zeigt, irren.

- Auch Metaanalysen wurden schon mal widerrufen.

- Ergebnisse prospektiver randomisierter Studien liegen in der Regel auch nur dann vor, wenn sozusagen ein „Investor“ gefunden werden konnte, der den finanziellen und organisatorischen Aufwand übernimmt- und wenn nicht gerade das „Patientengut“ bereits für noch laufende Studien oder andere Fragestellungen, die vielleicht tatsächlich oder nur vorübergehend `interessanter` oder vielversprechender` erscheinen, benötigt wird.

- Zwischen eigentlich überzeugenden Ergebnissen mit korrekt und gut dokumentierten, aber eben evtl. nur monozentrischen gewonnenen und nicht randomisierten Daten und einer späteren Bestätigung durch prospektive randomisierte Studien, die dann auch in Leitlinien und Kankenkassen-Richtlinien eingehen, können nach den bisherigen Erfahrungen auch einmal viele Jahre liegen, wie z.B. die Vorgänge um die Vorsorgekoloskopie zeigen.“

In den jetzt mit Interesse gelesenen Leitlinienempfehlungen zum Pankreaskarzinom des Jahre 2021 finden sich bedauerlicherweise wieder nur die nachfolgenden Eintragungen zum Einsatz von CA 19-9 bzw. des CEA:

„4.3. Screening bei asymptomatischer Bevölkerung

Ein Screening asymptomatischer Personen mit CA19-9 zur Frühdiagnose sollte nicht durchgeführt werden. ..... Zwei Studien mit hohen Fallzahlen zeigten, dass aufgrund des sehr niedrigen positiven prädiktiven Wertes von CA19-9 ein Screening der asymptomatischen Personen nicht gerechtfertigt ist [80, 81].“

„5.3.2. Laboruntersuchungen

Bei Nachweis einer Pankreasraumforderung sollte eine CA19-9 Untersuchung durchgeführt werden.

Bei potentieller Resektabilität in der Bildgebung kann ein sehr hoher präoperativer CA19-9- Wert Anlass geben, eine Staging-Laparoskopie durchzuführen, da in solchen Fällen oft eine größere Tumorlast vorliegt, als in der Bildgebung vermutet, z. B. eine disseminierte Tumoraussaat.“

„6.3.1.2. Kriterien der Resektabilität von Seiten der Tumorbiologie

Bioptisch gesicherte oder im PET-CT nachgewiesene Lymphknotenmetastasen (N+) und/oder präoperative CA19-9 Werte > 500 U/ml (ohne klinisch relevante Cholestase) sind tumorbiologische Kriterien, die in der Beurteilung einer primären Resektion eines exokrinen Pankreaskarzinoms berücksichtigt werden sollten. Wenn eines dieser Kriterien vorliegt, so sollte dies zu einer Einstufung des Pankreaskarzinoms als grenzwertig resektabel führen, unabhängig von seiner konditionellen und/oder anatomisch bestehenden Resektabilität.

Präoperative CA19-9 Werte korrelieren mit Stadium und Prognose des PDAC, wobei die Evidenz dafür auf kleinen bis mittelgroßen Kohortenstudien basiert [272, 273]“

„5.6. Therapieevaluation in der palliativen Situation

Die Untersuchung des Tumoransprechens im Verlauf einer palliativen Chemotherapie sollte prinzipiell mit der Oberbauchsonographie durchgeführt werden. Die Computertomographie sollte nur dann eingesetzt werden, wenn dieses in Studiensituationen erforderlich ist (RECIST- Kriterien) bzw. wenn die Oberbauchsonographie keine Aussage zum Verlauf erlaubt.“

„9.5. Nachsorge

Ein strukturiertes Nachsorgeprogramm kann beim Pankreaskarzinom stadienunabhängig nicht empfohlen werden.

„9.4. Beurteilung der Lebensqualität bei Patienten mit Pankreaskarzinom

Zur Messung der Lebensqualität steht mit dem QLQ-C30 und dem zugehörigen spezifischen Pankreasmodul QLQ-PAN 26 ein geeignetes Instrument zur Verfügung.“

Leider bleiben damit auch in der Leitlinie 2021 Themen wie der Einsatz von Tumormarkern für eine frühzeitige Diagnostik, für die postoperative Kontrolle und insbesondere für die Verlaufskontrolle, d.h. für eine schnellere Erkennung eines Ansprechens eines Tumors auf eine palliative Therapie, eine schnellere Erkennung eines Rezidivs bzw. eine schnellere Erkennung eines erneuten Progresses unberücksichtigt – Aspekte, deren Nicht-Berücksichtigung durchaus nachteilige Folgen für das Schicksal dieser Patienten haben kann (vergl. auch die Ergänzungen auf dieser Internet-Seite unter Ergänzung 2018, Teil B).

Unsere eigenen Erfahrungen entsprechen dagegen auch in den auf das Jahr 2013 nachfolgenden Jahren bis heute unseren Erfahrungen in den vorangegangenen 30 Jahren, die ich 2013 niedergeschrieben habe in dem Buch:

„CA 19-9 als „Tumormarker“ für das duktale Pankreaskarzinom – Eine Einführung für Betroffene, ihre Ärzte und Betreuer“

Im Interesse der zu betreuenden Patienten habe ich mich daher jetzt entschlossen, den gesamten Text dieses Buches für alle Interessierten kostenfrei zugänglich in das Netz zu stellen.

Prof. Dr. Rainer Klapdor
Juni 2022