Prof. Dr. med. R. Klapdor

Ergänzungen 2018
zur 3. Auflage des Buches „Tumorerkrankungen der Bauchspeicheldrüse“ (2013)

Teil A


I)    Zur Chemotherapie des Pankreaskarzinoms

           Palliatie Chemotherapie

           Erst-Linien-Therapie

           Zweit-Linien-Therapie

       Adjuvante Therapie

       Neoadjuvante Therapie

II)   Ergänzende lokale Therapieansätze

III)  Weitere, z. Z. noch experimentelle Therapieansätze

I) Zur Chemotherapie des Pankreaskarzinoms

In den vergangenen 5-6 Jahren konnten auf dem Gebiet der Chemotherapie des exokrinen Pankreaskarzinoms beachtenswerte Ergebnisse erzielt werden, und zwar sowohl

- auf dem Gebiet der palliatien Chemotherapie des nicht-resezierbaren Karzinoms, als auch

- auf dem Gebiet der adjuvanten Chemotherapie, d.h. einer Chemotherapie nach Resektonen des Primärtumors, die in kuratver Intenton durchgeführt wurden.

Über die besseren Ergebnisse in der palliatven Therapie sind auch die Hofnungen auf eine sog. neoadjuvante Chemotherapie gestegen, d.h. die Hofnung auf Resekton eines primär nicht-operablen Karzinoms nach einer vorangehenden Chemotherapie mit den zur Zeit wirksamsten Schemata FOLFIRINOX und Gemcitabine+nab-Paclitaxel (Abraxane (R)).

Palliatie Chemotherapie:

Erst-Linien-Therapie:

Erst-Linien-Chemotherapien mit den neuen Therapieschemata FOLFIRINOX (eine Kombinatons-Chemotherapie mit 5-Fluorouracil, Folinsäure, Oxaliplatin + Irinotecan) (Conroy et al. 2011) oder der Kombinaton von Gemcitabine + nab-Paclitaxel (Abraxane ®) (von Hof et al. 2013) zeigten signifkant bessere Ergebnisse als die früheren Studien mit einer Gemcitabine-Monotherapie - und zwar sowohl für das initale Ansprechen (Tumorverkleinerungen um mehr als 50% der Ausgangsgröße) als auch für das Langzeitüberleben. (x)

(x) (Diese Ergebnisse zur Tumorverkleinerung in diesen klinischen Therapiestudien entsprechen denen einer intraarteriellen Chemotherapie des fortgeschritenen Pankreaskarzinoms mit einer Kombinaton von Gemcitabine+ Mitomycin C in kleineren, nicht randomisierten therapieeihen in früheren Jahren, verg. R. Klapdor et al. 2000).

Diese beiden Therapieschemata stellen daher heute die Therapieschemata der Wahl für die Erst-Linientherapie des nicht-operablen Pankreaskarzinoms dar.

Vielfach wird heute folgendes Vorgehen empfohlen:

Erst-Linien-Chemotherapie bei Patenten in gutem bis sehr gutem Allgemeinzustand:
FOLFIRINOX;
Erst-Linien-Therapie bei Patenten in mäßigem bis gutem Allgemeinzustand:
Gemc.+ nab-Paclitaxel;
Erst-Linien-Therapie bei Pat. in deutlich reduziertem Allgemeinzustand:
Gemcitabine mono
oder evtl. die Kombinatonstherapie von Gemcitabine+Erlotnib /Tarceia®).

Zweit-Linien-Therapie

In den letzten Jahren konnte auch die Wirksamkeit von Zweit-Linien-Therapien in prospektven randomisierten klinischen Therapiestudien bestätgt werden:

Dies gilt einmal

- für eine Therapiestudie, die zeigen konnte, daß eine Zweit-Linien-Therapie mit 5FU/Folinsäure + Oxaliplatin nach einer Erst-Linientherapie mit Gemcitabine im Vergleich zu einer alleinigen symptomatschen Therapie die klinischen Symptome und die Überlebenszeit von Patenten mit Pankreaskarzinomen verbessert (U. Pelzer et al. 2011),

- für eine randomisierte prospektve klinische Therapiestudie der letzten Jahre mit einer Kombinaton aus 5Fluorouracil/Folinsäure + nal-Irinotecan (Onyiide®) nach einer Erst-Linien-Therapie mit Gemcitabine (A. Wang-Gillam et al. 2016). Dieses modifzierte sog. nanoliposomale Irinotecan (nal-IRI) soll die Wirkung des konventonellen Irinotecans, das auch bereits in Kombinaton mit 5-FU in Einzelfällen gute Ergebnisse bei Patenten mit Pankreaskarzinomen erbringen konnte (R. Klapdor et al. 2003), erhöhen.

- und für Therapiestudien zur Zweit-Linien-Therapie mit Gemcitabine+nab-Paclitaxel nach einer Erst-Linien-Therapie mit FOLFIRINOX (A. Portal et al. 2015) bzw. für 5-FU haltge Zweit-Linien-Therapien nach einer Erst-Linien-Therapie mit Gemcitabine+ nab-Paclitaxel (G. Giordano et al. 2016).

Adjuvante Chemotherapie

Auf dem Gebiet der adjuvanten Chemotherapie, d.h. einer Chemotherapie, die nach einer Resekton eines Tumors in der Regel über 6 Monate sozusagen „sicherheitshalberL gegeben wird, um die Zahl der Heilungen zu erhöhen, hat eine prospektve randomisierte klinische Therapiestudie der letzten Jahre gezeigt, daß eine Kombinatons-Chemotherapie mit Gemcitabine + Capecitabine die Ergebnisse gegenüber einer alleinigen Therapie mit Gemcitabine oder 5-Fluorouracil signifkant verbessert (Neoptolemos et al. 2016).

Die Therapie mit der Kombinaton von Gemcitabine + Capecitabine wird daher heute in der Regel als Therapie der ersten Wahl für die adjuvante Therapie nach Resekton eines Pankreaskarzinoms empfohlen.

Neoadjuvante Chemotherapie:

Durch den Einsatz der Kombinatonsschemata FOLFIRINOX bzw. Gemcitabine+nab-Paclitaxel scheinen sich die Möglichkeiten einer sog. neoadjuvanten Chemotherapie des Pankreas- karzinoms zu verbessern.

Mit einer neoadjuvanten Therapie bezeichnet man den Versuch, ein primär nicht operables Karzinom durch eine Tumortherapie in ein resektables Karzinomleiden zu überführen, um es dann resezieren zu können. Eine erfolgreiche neoadjuvante Therapie kann die Prognose eines Patenten mit einem Pankreaskarzinom deutlich verbessern, da die nach einer derartgen Therapie resezierten Patenten eine Überlebenszeit aufweisen, die derjenigen der Patenten mit einem primär resektablem Tumor entspricht.

Zur Zeit laufen verschiedene randomisierte, prospektve klinische Studien zur neoadjuvanten Chemotherapie des Pankreaskarzinoms, von denen in Zukunf wohl befürwortende Empfehlungen zu erwartet sein dürfen.

Für die Möglichkeit dieser Konzepte sprechen auch eigene Ergebnisse zur primär palliatven Chemotherapie von Patenten mit fortgeschritenen, metastasierten Pankreaskarzinom:

Von den ersten 15 Patenten mit metastasierten Pankreaskarzinomen, die wir mit dem Schema FOLFIRINOX behandelt haten, zeigten 3 Patenten in der Bildgebung und nach dem Tumormarkerverlauf eine CR (Komplete Remission). Eine spätere Operaton zeigte bei 2 dieser Patenten kein Tumorgewebe mehr im Bereich des früheren Primärtumors und der früheren Lebermetastasen, bei einer Patentn nur noch 1 kleine Lebermetastase. 1 dieser 3 Patenten ist bis heute (über 4 Jahre) tumorfrei, die anderen beiden Patenten erkrankten später wieder an einem Rezidiv (aber nicht im Bereich des früheren Primärtumors!), überleben aber heute bereits mehr als 4 Jahre.

II) Ergänzende lokale Therapieansätze

Zusätzlich zu schon bekannteren lokoregionalen Therapieiersuchen über die die Leber und/ oder das Pankreas versorgenden Arterien, wie der HAI (isolierte hepatsche transarterielle Infusion), der TACE (transarterielle Chemoembolisaton) oder der SIRT (selektve interne Radiotherapie)

wird heute an relatv neuen Möglichkeiten gearbeitet, um Tumore oder Tumorgewebe durch direkte lokale Einwirkung auf einen Tumor zu zerstören.

Hierzu gehören z.B.:

- die sog. HIFU-Verfahren. Hier wird versucht, Tumorgewebe durch hochenergetische Ultraschallwellen, die durch akustsche Linsen fokussiert werden, zu zerstören. Im Fokuspunkt der Ultraschallwellen entstehen so Temperaturen von ca. 90 Grad Celsius;

- die sog. Irreversible Elektorporaton (IRE). Hier werden während einer Operaton unter Ultraschall-Kontrolle mehrere Elektroden exakt in und an einem Tumor platziert, über die dann starke Stromstöße in das erkrankte Gewebe geleitet werden, um das Tumorgewebe zu zerstören.

- Mit diesen Verfahren soll auch die Behandlung einzelner Lebermetastasen möglich sein/möglich werden;

und

- Verfahren wie HIPEC und PIPAC zur wirksameren Behandlung einer Ausdehnung eines Tumors in der Bauchhöhle bzw. über das Bauchfell (Peritoneum), wie

- die Hypertherme Intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC). Hier wird während eines operativen Eingriffs die Bauchhöhle eröfnet, möglichst alles sichtbare Tumorgewebe der Peritonealkarzinose operativ enternt. Dann werden mehrere Zugänge und Abgänge in die Bauchöhle gelegt und dann nach Verschluß der Bauchhöhle diese mit einer auf 41 bis 42 Grad Celsius erwärmten Chemotherapielösung gespflt. Durch diese „Vor-Ort" Behandlung können wesentliche höhere Zytostatka-Konzentratonen in der Bauchhöhle zur Behandlungen der Tumor-Absiedlungen erreicht werden, als bei alleiniger intravenöser Gabe.

- die jüngst entwickelte PIPAC-Methode (Pressurized IntraPeritoneal Aerosol Chemotherapy oder Intraperironeale Druck-Aerosol-Chemotherapie). Hier wird per Schlfssellochtechnik (laparoskopisches Vorgehen) der Chemo-Wirkstoff als Nebel (Aerosol) unter Hochdruck im Bauchraum versprüht. Dadurch sind die Tröpfchen besonders fein. Sie verteilen sich gleichmäßiger und dringen tefer in das Bauchfell ein.

Obwohl alle diese lokalen Therapieansätze zunehmendes Interesse und auch zunehmende Anwendung in einer zunehmenden Anzahl an Kliniken finden, sind – abgesehen von Einzelentscheidungen - abschließende Beurteilungen und Empfehlungen zur Zeit aber noch nicht möglich. Vorher sind weitere Untersuchungen, Studien und Erfahrungen zu fordern.

III) Weitere, zur Zeit noch experimentelle Therapieansätze

Mit zunehmendem Einblick in die Molekularpathologie des Pankreaskarzinoms eröfnete und eröfnet sich eine Vielzahl neuer Therapieansätze.

Die neuen Substanzen greifen vorwiegend entweder in dem Bindegewebe (Stroma), in das die Tumorzellen eingebetet sind, oder im Immunsystem des Organismus an.

Aktuelle Ansätze sind z.B. Versuche

- mit dem Antikörper Pamrevlumab gegen CTGF (connective tissue growth factor),

- mit dem Impfstoff TG01 gegen KRAS-Peptide,

- mit PAG (PEGPH20 = PEGylierte rekombinante humane Hyaluronidase) gegen Hyaluronsäure (HA) im Tumormikromilieu der Pankreaskarzinome,

- mit dem Antikörper Demcizumab, der DLL4 blockt und damit mit den NOTCH-Signalweg interferiert,

- mit LDE225, das therapeutsch in den SHH-Signalweg (Sonic-Hedgehog-Signalweg) eingreift,

- mit PF-04136309, einem CCR2-Inhibitor, der tumorassoziierte Macrophagen eliminieren soll,

- mit pegyliertem humanem Interleukin 10 (IL 10) über eine Expansion tumorspezifscher T-Zellen,

- mit CPI-613 über einen Eingriff in den mitochondrialen Tumorstoffwechsel,

- mit Stammzellinhibitoren (BB1608) über eine Hemmung des STAT3-Signalweges,

- mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (monoklonalen Antikörpern gegen CTLA-4 oder PD-1/-L1 ) zur Aufhebung einer peripheren Immuntoleranz,

- mit ant CD 40 Antikörpern zur Steigerung der dendritschen Zellen,

- mit dem PARP-Inhibitor und platinderivaten bei Nachweis von Mutatonen in den DNA-Reparaturgenen BCRA1/2,

- mit Immunisierung gegen hTERT (humane Telomerase reverse Transkriptase) mitels Vakzinierung, (hTERT ist ein immunogenes Protein, das in nahezu allen humanen Tumoren exprimiert ist und eine wesentliche Rolle in der Onkogenese spielt),

oder

- mit sog. Tumor Treatng Fields (TTF). Hier wird versucht, über von extern applizierte elektrische Felder (spezieller Bauchgurt mit Akku) z.B. in Kombinaton mit einer Standard-Chemotherapie ein Tumorleiden, auch in Kombinaton mit einer Chemotherapie, günstg zu beeinfussen.

Abgesehen von dem Tyrosinkinase-Inhibitor Erlotnib® in Form einer Kombinatonstherapie mit Gemcitabine (2007 zugelassen) hat bis heute aber kein weiterer Ansatz zur Behandlung des Pankreaskarzinoms zugelassen werden können.

Allerdings laufen bereits erste Phase I-/Phase II- oder auch Phase III-Studien, z.B.

eine Phase III–Studie mit PAG in Kombinaton mit Gemcitabine+ nab-Paclitaxel,

eine Phase I-Studie mit CPI-613 in Kombinaton mit FOLFIRINOX,

eine Phase II-Studie mit IGF-1 in Kombinaton mit Gemcitabine+nab-Paclitaxel,

eine Phase II Studie mit dem humanisierten Antikörper Isteratumat (M11-41) gegen IGF-1 im Kombinaton mit Gemcitabine+nab-Paclitaxel, oder

eine Phase III Studie mit PEGylated human IL10 (AM0010) in Kombinaton mit 5FU als Zweitlinientherapie.

R. Klapdor
Juni 2018